THEMA 2022 / 5
SABINE RIEDEL
Vgl. PUBLIKATION: Atomgeschäfte und Atomwaffen im Ukraine-Krieg. Eine kommentierte Dokumentation zum militärischen Konflikt um das AKW Saporischschja, in: Forschungshorizonte Politik & Kultur, Vol. 6, 2022/10, 46 S.
Einleitung:
Mit Beginn des Ukraine-Kriegs am 24.2.2022 steht erstmals in der Geschichte der modernen Kriegsführung ein Atomkraftwerk (AKW) im Mittelpunkt eines militärischen Konflikts. Gleich zu Beginn besetzte das russische Militär die AKW-Ruine von Tschernobyl im Norden der Ukraine, wenige Tage später das AKW Saporischschja im Süden, den größten Atommeiler Europas. Am 10.7.2022 rief das ukrainische Unternehmen Energodatom das Militär zur gewaltsamen Rückeroberung auf (energoatom, 10.7.2022). Seitdem steht das AKW immer wieder unter Granatenbeschuss (über 300 Einschläge bis Ende Dezember 2022), obwohl seit Anfang September Vertreter der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) vor Ort sind.
In seinem Bericht an den UN-Sicherheitsrat sagte der IAEA-Chef Rafael Grossi: „Wir spielen mit dem Feuer, und es könnte etwas Katastrophales passieren.“ (digitallibrary.un.org, 7.9.2022: 3) Deshalb schlug Grossi eine Entmilitarisierung des Gebiets um das AKW vor, bislang jedoch ohne Erfolg. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass sich die IAEA dem Druck der G7 gebeugt und in diesem Konflikt Partei für die Ukraine ergriffen hat. Daraufhin nahm Russland das AKW per Dekret vom 5.10.2022 vollständig in seinen Besitz. Dadurch wurde offensichtlich, dass die Granatenangriffe (auch) vom ukrainischen Militär ausgehen. Seither droht Moskau, dass ein provozierter Atomunfall im AKW Saporischschja dem Einsatz einer taktischen Atomwaffe gleichkomme und dieser eine atomare Antwort nach sich ziehen werde.
Die ursprüngliche Fassung dieser Dokumentation vom September 2022 wurde aus Platzgründen gekürzt und in drei Fokusthemen aufgeteilt: Die Ausgabe 4/2022 konzentriert sich zunächst auf wichtige Infos zum AKW Saporischschja und bietet übersetzte Zitate aus ukrainischen und russischen Quellen mit Links zu den Originaltexten. Diese Ausgabe 5/2022 (siehe unten) steht unter dem Motto Atomgeschäfte im Ukraine-Krieg und konfrontiert den Leser mit den Interessen der Atomindustrie und dem potentiellen Missbrauch der AKWs als taktische Atomwaffen. Die Ausgabe 6/2022 unter dem Titel Countdown: Welt ohne Atomwaffen zeigt Auswege aus der drohenden nuklearen Konfrontation auf: Seit dem 22.1.2021 ist der Atomwaffenverbotsantrag (AVV) in Kraft getreten, der sowohl die Forschung als auch die Stationierung von Atomwaffen verbietet.
Möglicherweise sind die Atomindustrie und die IAEA als ihr Interessensverband nervös geworden, so dass sie neue Fakten schaffen wollen. Dies erklärt, warum die IAEA mitten im Ukraine-Krieg erklärte, dass die Atomkraft weltweit im Aufwind sei. Umso wichtiger ist die Aufklärung darüber, dass sie keine „saubere“ Technologie darstellt und im Rahmen der Dual-Use-Forschung für Waffen missbraucht werden kann. Der Öffentlichkeit ist kaum bekannt, dass ca. 60 km nordwestlich des ukrainischen AKW Saporischschja das größte radioaktiv kontaminierte Gebiet der Welt liegt, das stillgelegte Chemiewerk Prydniprovsky (PCP). Dort lagert 15 mal so viel Atommüll wie in der AKW-Ruine von Tschernobyl, teils unter freiem Himmel. … Die drei Fokusthemen sind ausführlich nachzulesen in der oben genannten Publikation der Autorin: Atomgeschäfte und Atomwaffen im Ukraine-Krieg, in: FPK, 10/2022, 45 p.
DATUM
INFORMATIONEN (eigene Texte mit „Zitaten„, Umschrift eingedeutscht bzw. Englisch, Übersetzung: S.R.)
QUELLEN (Autor, Titel, URL u.a.)
1977-1989
Nach Informationen der offiziellen ukrainischen Website UATOM plante die Sowjetunion in diesem Zeitraum auf dem Territorium der Ukraine die Errichtung von 5 AKWs: Saporoschje, Riwne, Chmelnyzkyj, Tschernobyl und Südukraine. Sie sollten eine Gesamtkapazität von 14.800 Megawatt (MW) haben.
„Zum Zeitpunkt des vom Menschen verursachten Unfalls im vierten Reaktorblock des Kernkraftwerks Tschernobyl im April 1986 waren in der Ukraine 10 Blöcke in Betrieb, davon 8 mit einer Leistung von 1.000 MW (vier WWVER-1000 [wassermoderierter-wassergekühlter Typ] und vier RBMK-1000 [graphitmoderierter-wassergekühlter Reaktor des Typs von Tschernobyl]). Von 1986 bis 1990 wurden 6 weitere Reaktorblöcke mit je 1000 MW in Betrieb genommen: drei im AKW Saporischschja und je einer in den AKWs Südukraine, Riwne und Chmelnyzkyj.“
Cайт по вопросам ядерной безопасности, радиационной защиты и нераспространения ядерного оружия, Действующие АЭС [Website über nukleare Sicherheit, Strahlenschutz und Nichtverbreitung von Atomwaffen,
Der laufende Betrieb von Kernkraftwerken], Kiew 2019, www.uatom.org/ru/obschie-svediniya.
26.4.1986
Das Staatliche Sonderunternehmen “Chernobyl NPP” (SS ChNPP) der Ukraine ist heute zuständig für die Atomruine von Tschernobyl. Auf der Website finden sich ausführliche Informationen, darunter zur Geschichte des AKW, u.a.: Nachdem der jüngste Block 4 des AKW Tschernobyl explodiert war und Block 2 im Jahre 1991 beschädigt wurde, hat die Ukraine, Block 1 im Jahre 1996 und Block 3 im Jahre 2000 stillgelegt. Der Bau zweier weiterer Reaktoren wurde bereits 1988 eingestellt. Saporischschja entwickelte sich deshalb zur wichtigsten Atomanlage der Ukraine.
SSE ChNPP, Chornobyl NPP, History of the ChNPP, 2022, hnpp.gov.ua/en/about/history-of-the-chnpp.
1984-1995
In diesem Zeitraum wurden sechs Reaktoren des AKW Saporischschja in Betrieb genommen, mit einer Laufzeit von 30 Jahre. Nach Auskunft von UATOM und des ukrainischen Gesundheitsministeriums gehen die Reaktorblöcke 1-4 erst 10 Jahre später endgültig vom Netz (Stand 2019). Sie hätten nach dem Unfall im japanischen AKW Fukushima (11.3.2011) einen Stresstest bestanden.
Cайт по вопросам ядерной безопасности, радиационной защиты и нераспространения ядерного оружия, Действующие АЭС [Website über nukleare Sicherheit, Strahlenschutz und Nichtverbreitung von Atomwaffen,
Der laufende Betrieb von Kernkraftwerken], Kiew 2019, www.uatom.org/ru/obschie-svediniya.
1.12.1991
Nach der staatlichen Unabhängigkeit der Ukraine setzte Kiew die ursprüngliche sowjetische Energiepolitik zur Entwicklung der Kernenergie fort. Das Moratorium von 1990, das den Bau neuer Reaktoren infolge des Reaktorunfalls von Tschernobyl gestoppt hatte, wurde aufgehoben:
Seit Dezember 1991 unterstanden die AKWs dem Konzern Ukratomenergoprom, ab Januar 1993 dem „Staatlichen Komitee der Ukraine für die Nutzung der Kernenergie – Staatskomitee der Ukraine“. Nach der Inbetriebnahme von Block 6 des AKW Saporischschja (1995) wurde dieses mit einer Leistung von 6 Millionen KW zum größten Kernkraftwerk Europas. Am 17.10.1996 wurde das staatliche Unternehmen „Nationale Gesellschaft zur Erzeugung von Atomenergie „Energoatom“ gegründet.
Cайт по вопросам ядерной безопасности, радиационной защиты и нераспространения ядерного оружия, Действующие АЭС [Website über nukleare Sicherheit, Strahlenschutz und Nichtverbreitung von Atomwaffen,
Der laufende Betrieb von Kernkraftwerken], Kiew 2019, www.uatom.org/ru/obschie-svediniya.
2019
„Heute [2019] sind 15 Reaktorblöcke in ukrainischen AKWs in Betrieb, 13 davon mit Reaktoren vom Typ WWER-1000 und 2 Reaktoren WWER-440 mit einer installierten Gesamtleistung von 13.835 MW, was 26,3% der gesamten installierten Leistung aller Kraftwerke in der Ukraine entspricht.“
Cайт по вопросам ядерной безопасности, радиационной защиты и нераспространения ядерного оружия, Действующие АЭС [Website über nukleare Sicherheit, Strahlenschutz und Nichtverbreitung von Atomwaffen,
Der laufende Betrieb von Kernkraftwerken], Kiew 2019, www.uatom.org/ru/obschie-svediniya.
16.3.2022
Das Energieministerium der Ukraine gibt auf seiner Website folgende Informationen zur Organisationsstruktur und Entwicklung ihrer Energiepolitik:
„Ende 1999 wurde per Dekret des Präsidenten der Ukraine das Ministerium für Brennstoffe und Energie der Ukraine geschaffen, auf der Grundlage des Ministeriums für Energie, des Ministeriums für Kohleindustrie, des Staatsministeriums für elektrische Energie, des Staatsministeriums für die Erdöl-, Gas- und Ölraffinerieindustrie und das Staatsministerium für Fragen der Kernenergie. […]
Heute ist das Vereinigte Energiesystem der Ukraine einer der größten Energieverbände in Europa, das sieben regionale Systeme der Elektr0energie (REES) umfasst: Dnipro, Westen, Krim, Süden, Südwesten, Norden und Zentrale, die durch systembezogene Leitungen und Hauptstromleitungen von 750 kV und 330-500 kV2 miteinander verbunden sind. […]
Am 16. März 2022 fand ein historisches Ereignis statt: Das ukrainische Stromnetz wurde von seiner sowjetischen Vergangenheit – dem Stromnetz Russlands und Weißrusslands – endgültig abgekoppelt. Vor dem Hintergrund der russischen Militärinvasion, mehr als ein Jahr früher als geplant, wurde das ukrainische Energiesystem vollständig mit dem ENTSO-E-Netzwerk von Kontinentaleuropa synchronisiert. Die entsprechende Entscheidung wurde vom Verband der Netzbetreiber ENTSO-E [European Network of Transmission System Operators for Electricity] am 11. März 2022 getroffen. Nach der Synchronisation arbeitet das Vereinigte Energiesystem der Ukraine stabil, die Frequenz wird bei 50 HZ gehalten.“
Міністерство енергетики Украіни, Історія енергетики [Energieministerium der Ukraine, Geschichte der Energie], Kiew, 16.3.2022, mev.gov.ua/storinka/istoriya-enerhetyky.
Vgl. European Network of Transmission System Operators for Electricity (ENTSO-E), Brüssel, www.entsoe.eu. Die Ukraine ist Mitglied der ENTSO-E, vertreten durch das nationale Unternehmen UKRENERGO, Kiew: ua.energy.
Національна комісія, що здійснює державне регулювання у сферах енергетики та комунальних послуг (НКРЕКП) [Nationale Kommission für die staatliche Regulierung von Energie und Versorgungsunternehmen], Kiew: www.nerc.gov.ua.
10.5.2022
Durch die Station „Sudzha“ an der ukrainischen Grenze zu Russland im Nordosten (Karte siehe unten) führen drei Gaspipelines mit einem Durchmesser von 1400 mm und einer Transitkapazität von 244 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag. Der ukrainische Transitbetreiber GTS hat sich bisher nur zu einer Transitmenge von 109,6 Millionen Kubikmeter pro Tag verpflichtet. Er veröffentlichte folgende Daten (vgl. Karte unten und Quelle rechts):
„Das durchschnittliche tägliche Transitvolumen durch den Anschlusspunkt „Sudzha“ lag bei:
• im Jahr 2017 – 181,2 Millionen Kubikmeter;
• im Jahr 2018 – 170,7 Millionen Kubikmeter;
• im Jahr 2019 – 180,3 Millionen Kubikmeter;
• im Jahr 2020 (bereits unter dem neuen Transitabkommen) – 130,1 Millionen Kubikmeter.
Während dieses Zeitraums erreichten die maximalen Volumina:
• im Jahr 2017 – 247,7 Millionen Kubikmeter;
• im Jahr 2018 – 245,3 Millionen Kubikmeter;
• im Jahr 2019 – 241 Millionen Kubikmeter;
• im Jahr 2020 – 165,1 Millionen Kubikmeter.
Nach dem bestehenden Transitabkommen für 2020-2025, das den Transit von 65 Milliarden Kubikmetern Erdgas vorsah, betrug im Jahr 2020 die Vertragskapazität am Sudzha-Punkt 150,7 Millionen Kubikmeter pro Tag.
Darüber hinaus hat eine ähnliche Übertragung von Kapazitäten vom Sokhranivka-Gasversorgungssystem auf das Sudzha-Gasversorgungssystem aufgrund geplanter Reparaturen bereits vom 12. bis 25. Oktober 2020 stattgefunden. Dann betrug der Gastransit durch den Eintrittspunkt „Sudzha“ 165,1 Millionen Kubikmeter pro Tag.
Daher sind die Behauptungen über die Unmöglichkeit, Gas von ‚Sokhranivka‘ auf den Punkt ‚Sudzha‘ zu übertragen, nicht wahr.“
Fazit: Die Ukraine hat in 2020 mit Russland Gaslieferverträge bis zum Jahre 2025 abgeschlossen. Nach eigenen Angaben importierte die Ukraine aus Russland in den letzten Jahren zeitweise mehr Gas pro Tag als vorgesehen. Der ukrainische Transitbetreiber GTS möchte dieses Volumen auf 244 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag erhöhen und damit Nord Stream-1 und Nord Stream-2 vollkommen ersetzen (vgl. nachfolgende Quelle). Die ukrainischen Energieunternehmen werden vom Stopp der Gaspipeline Nord Stream-2 profitieren und ihr Geschäft mit Transitgas aus Russland ausweiten.
Оператор газотранспортноі системи Украіни (Оператор ГТС України), Щодо технічної можливості переносу обсягів транзиту через ГВС «Суджа» [Gasfernleitungsnetzbetreiber der Ukraine, Die technische Möglichkeit, Transitvolumen auf die Pipeline bei Sudzha umzuleiten], Kiew, 10.5.2022, https://tsoua.com/news/shhodo-tehnichnoyi-mozhlyvosti-perenosu-obsyagiv-tranzytu-cherez-gvs-sudzha/.
Vgl. Video auf YouTube:
Українська ГТС – енергетичний щит Європи | Як Україна перемогла кремль у „газових війнах“, 5 канал [Ukrainische GTS – Das Energieschild Europas. Wie die Ukraine den Kreml in den „Gaskriegen“ besiegte, 5 Kanal], Kiew, 29.11.2018, YouTube: https:// youtu.be/MPrqI5DlijA.
25.7.2022
Der Gasfernleitungsnetzbetreiber der Ukraine (GTS) warb über Socialmedia (Telegram) für die größte ukrainische Pipeline zum Transit russischen Gases „Sudzha“ (vgl. Karte oben, Grenze Ukraine-Russland im Nordosten). Generaldirektor Serhiy Makogon [uk. Сергій Макогон] sagte, diese könne in Zukunft ganz Europa versorgen: „Nord Stream-1 und Nord Stream-2 sind überflüssig.“
Weiter heißt es auf Telegram:
„Die technische Kapazität der Leitung „Sudzha“ beträgt 244 Millionen Kubikmeter [Gas pro Tag]. 💪 Sie reichen für Europa aus, um Folgendes zu erhalten:
zuverlässiger Gastransport;
Senkung des Preises für den blauen Kraftstoff;
die Möglichkeit, sich effektiv auf die Heizsaison vorzubereiten.
Stattdessen beschränken die Russen bewusst die Gaslieferungen nicht nur durch die kontrollierte Nord Stream-1, sondern auch durch die Ukraine:
Von den 109 Millionen Kubikmeter [Gas pro Tag] Vertragskapazität nutzen die Russen nur 42 Millionen.“
Karte: На „трубі“: репортаж з диспетчерської української ГТС [In der „Röhre“: eine Meldung aus der Leitwarte der ukrainischen GTS], Kiew, 7.3.2018, www.epravda.com.ua/publications/2018/03/7/634729.
Quelle: Оператор газотранспортноі системи Украіни [Оператор ГТС України, Gasfernleitungsnetzbetreiber der Ukraine, Gas Transmission System Operator of Ukraine], Kiew, 25.7.2022, Telegram: Contact @gastsoua, t.me/gastsoua/620.
26.8.2022
„ÜBER DAS UNTERNEHMEN
Das Nationale Energieunternehmen Ukrenergo ist eine private Aktiengesellschaft mit 100% der Anteile im Besitz des Staates, die zum Verwaltungsbereich des Energieministeriums der Ukraine gehört. […]
Ende 2021 beantragte Ukrenergo den Status einer Beobachtermitgliedschaft bei ENTSO-E.
Ukrenergo unternahm alle Anstrengungen und sorgte für die Bildung von sekundären Rechtsvorschriften über das Funktionieren des neuen Strommarktmodells und führte die Plattform für das Marktmanagementsystem (MMS) für den Kauf/Verkauf von Elektrizität auf dem Regelenergiemarkt und dem Markt für Nebendienstleistungen ein.
Ukrenergo ist einer der Hauptakteure auf dem Strommarkt, der die Funktionen eines kommerziellen Zählerverwalters und eines Abwicklungsverwalters sowie seine Verpflichtungen zur Wahrung öffentlicher Interessen (PSO) im Prozess des Funktionierens des Marktes wahrnimmt.“
European Network of Transmission System Operators for Electricity (ENTSO-E), Brüssel, www.entsoe.eu.
Die Ukraine ist Mitglied der ENTSO-E, vertreten durch:
Національна енергетична компанія «Укренерго» [Nationale Energiegesellschaft UKRENERGO], Kiew, ua.energy, ua.energy/pro_kompaniyu/
DATUM
INFORMATIONEN (eigene Texte mit „Zitaten„, Umschrift eingedeutscht bzw. Englisch, Übersetzung: S.R.)
QUELLEN (Autor, Titel, URL u.a.)
16.3.2011
Der ukrainische Wissenschaftler Wolodymyr Tykhyy hielt einen Vortrag am Reaktorforschungszentrum der Universität Kyoto, Kumatori, Japan. Das Thema: „Das zerstörerische Erbe der Atombombe und der Kernenergie-Projekte in der Ukraine“. Darin informiert er über verschiedene Maßnahmen der ukrainischen Regierung, die radioaktiven Abfälle sicher zu lagern und über die gesundheitliche Folgen für die Bevölkerung der Ukraine (Stand: 2011).
Eine relevante Information: Bis Anfang 2011 verfügte die Ukraine kaum über eigene Kapazitäten zur sicheren Lagerung der abgelaufenen Kern-Brennstäbe: „Ein Parlamentsbeschluss zum Bau des CSF [Endlagers in Chernobyl, S.R.] ist erforderlich. In der Zwischenzeit werden ukrainische abgebrannte Kernbrennstoffe aus 9 WWER-Blöcken nach Russland transportiert.“ [S. 25]
Weiterhin relevant sind Daten zu den gesundheitlichen Folgen: „In allen Gruppen von Betroffenen ist die TC-Prävalenz [Erkrankung an Schilddrüsenkrebs, S.R.] höher als der landesweite Durchschnitt: bei den Liquidatoren [ca. 1 Million Einsatzkräfte zur Sicherung des havarierten AKW Tschernobyl] um das 5,6-fache, bei den Evakuierten um das 4,4-fache, unter den Bewohnern der kontaminierten Gebiete um das 1,4-fache“ [S. 28].
Volodymyr Tykhyy, Punishing legacy of atomic bomb and nuclear energy projects in Ukraine, Seminar at Kyoto University Research
Reactor Institute, Kumatori, 16.3.2011, www.rri.kyoto-u.ac.jp/NSRG/seminar/No110/20110318tykhyy.pdf.
18.11.2020
Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) berichtet über die Inbetriebnahme des größten Endlagers für abgelaufene atomare Brennstäbe der Welt. Auf dem Sperrgebiet der AKW-Ruine Tschernobyl wird das Interim Storage Facilty 2 (ISF-2) Anfang 2021 in Betrieb gehen: Mehr als 21.000 abgebrannte Brennelemente aus den abgeschalteten Reaktoren des AKW Tschernobyl sollen dort für mindestens 100 Jahre sicher gelagert werden.
„Balthasar Lindauer, EBWE-Direktor für nukleare Sicherheit, sagte: ‚Dies ist eine bedeutsame Leistung, die von den vielen Tagen, Wochen und Jahren zeugt, die die EBWE, Geber, Auftragnehmer und die Ukraine der Durchführung dieses kritischen Sicherheitsprojekts gewidmet haben.‘ […] Das Zwischenlager 2 kostete 400 Mio. EUR und wurde mit Beiträgen aus Belgien, Kanada, Dänemark, der Europäischen Union, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, den Niederlanden, Norwegen, Russland, Schweden, der Schweiz, der Ukraine, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika finanziert.“
Axel Reiserer, Historic milestone at Chernobyl Nuclear Power Plant, European Bank for Reconstruction and Development, News, 18.11.2020, www.ebrd.com/news/2020/historic-milestone-at-chernobyl-nuclear-power-plant.html.
22.9.2021
Die norwegische Bellona Foundation für Umwelt- und Klimaschutz berichtet über das größte radioaktiv verseuchte Gebiet Europas, das stillgelegte Chemiewerk Prydniprovsky, vgl. ukr. Придніпровський хімічний завод (ПХЗ). Es handelt sich um eine stillgelegte Uranmine am Ufer des Dnipro/Dnepr in der Ukraine nahe der Stadt Kamianske, ca. 60 km nordwestlich des AKW Saporischschja. Zwischen 1949 und 1991 hatte sie die gesamte Sowjetunion mit Uranerz versorgt. Die Fabrik verarbeitete das Erz zu Yellowcake (dt. „Gelber Kuchen„), einem Pulver aus Uranverbindungen. Das verstrahlte Gebiet um das PCP (eng. Prydniprovsky Chemical Plant) umfasst 2,5 Quadratkilometer, wo in 9 Freiluftdeponien rund 36 Millionen Tonnen radioaktiver Rückstände gelagert werden: Der Autor berichtet:
„Das Chemiewerk Prydniprovsky beherbergt heute mehr als 15 Mal so viel radioaktiven Abfall wie die Trümmer des 1986 explodierten Reaktors Nr. 4 in Tschernobyl.
Ein großer Teil dieser Abfälle liegt unter freiem Himmel, völlig ungeschützt vor Menschen und der Umwelt, oder ist durch Zäune abgegrenzt, die nicht darauf hinweisen, was sie umschließen. An anderen Stellen des Geländes stoßen die seit langem vernachlässigten Abfälle aus der Uranverarbeitung, die sogenannten Uran-Tailings, giftige Gase aus und sickern ins Grundwasser und in die Wasserläufe.
In den letzten drei Jahrzehnten wurde das PCP nur sporadisch überwacht, und die Bemühungen der ukrainischen Regierung um seine Sanierung waren sowohl unzureichend als auch schlecht finanziert. Ausländische Regierungen haben versucht, sich an der Sanierung zu beteiligen [u.a. Schweden, Norwegen, die IAEA und die EU, S.R.], aber ihre Finanzmittel wurden für Bereiche bereitgestellt, die das Problem nicht als Ganzes angehen.“
In dem Artikel wird der Büroleiter der NGO Bellona in St. Petersburg zitiert: „Es ist unmöglich herauszufinden, was tatsächlich getan wurde, wie die Situation bei dem PCP ist, wer verantwortlich ist und das Projekt beaufsichtigt, und wie die Aussichten sind.“
Charles Digges, The most dangerous place in Europe is one you have never heard of, Oslo, 22.9.2021, bellona.org/news/nuclear-issues/2021-09-the-most-dangerous-place-in-ukraine-is-one-you-have-never-heard-of.
Weiterführend: Yuriy Tkachenko, The Prydniprovsky Chemical Plant – Ukraine’s Uranium Heritage, Bellona Foudation, Oslo, 2020, network.bellona.org/content/uploads/sites/3/2020/11/Pridniprovsky-Chemical-plant-English.pdf.
Quelle: Lage der stillgelegten Chemiefabrik Prydniprovsky (PCP), ca. 60 km nordwestlich vom AKW Saporischschja: Dniprodzerzhynsk Ukraine map.png, Skluesener, 5.1.2007.
9.3.2022
Der Diplomatische Dienst der EU gab auf einer Sitzung des Gouverneursrats der IAEA in Wien am 9.3.2022 eine Erklärung ab, in der sie die Militäroperation Russlands und die Besetzung der ukrainischen AKWs als eine „ungerechtfertigte militärische Aggression“ verurteilte. Ohne Prüfung der Lage vor Ort, bekräftigte der EU-Vertreter „ihre unerschütterliche Unterstützung für die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Ukraine innerhalb ihrer international anerkannten Grenzen. Wir stehen fest an der Seite der Ukraine.“ Zu den Vorwürfen Moskaus, die Ukraine verstoße mit ihrer Forschung an Atomwaffen gegen den Atomwaffensperrvertrag, bezog er keine Stellung. Rückblickend ist besonders eine Passage wichtig:
„Wir müssen alles tun, um einen nuklearen Unfall, einen Zwischenfall oder einen anderen radiologischen Notfall zu verhindern, der die lokale Bevölkerung, die Nachbarländer und die internationale Gemeinschaft ernsthaft beeinträchtigen könnte. Es ist Zeit zu handeln, um ein solches Szenario zu vermeiden. […] Die EU ist bereit, jede Unterstützung zu leisten, die der Generaldirektor zur Erreichung dieses Ziels benötigen würde.“
Erklärung der EU zu den Auswirkungen der Lage in der Ukraine auf die Sicherheit, die Sicherheit und die Schutzmaßnahmen, die vom Gouverneursrat der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) am 9. März 2022 abgegeben wurde, Wien, www.eeas.europa.eu/eeas/eu-statement-safety-security-and-safeguards-implications-situation-ukraine-delivered_en?etrans=de
28.4.2022
In ihrem Bericht über die nukleare Sicherheit der Ukraine stützt die IAEA offiziellen Darstellungen Kiews. Danach seien die Vorwürfe Russlands unbegründet, wonach die Ukraine an neuen Atomwaffen forsche und gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoße:
„Auf der Grundlage der Auswertung aller der IAEA bisher vorliegenden überwachungsrelevanten Informationen, hat die IAEA keine Anzeichen für die Abzweigung von deklariertem Kernmaterial oder irgendwelche
Anzeichen, die Anlass zur Besorgnis über die Proliferation geben würden.“
International Atomic Energy Agency (IAEA), Safety and Security of Nuclear Facilities in Ukraine, 24.2. – 28.4.2022, p. 24, www.iaea.org/sites/default/files/22/04/ukraine-report.pdf.
15.9.2022
Die 35 Mitgliedstaaten im Gouverneursrat der IAEA verabschiedeten eine Resolution, in der Russland aufgefordert wird, sich aus dem AKW vollständig zurückzuziehen. Darüber hinaus wird allein Moskau für die militärischen Angriffe auf das AKW verantwortlich gemacht. In der Resolution heißt es laut Bericht der World Nuclear News: Der Gouverneursrat
„bedauert“ Russlands „anhaltende gewalttätige Aktionen gegen Atomanlagen in der Ukraine“ und „fordert“ Russland auf, „unverzüglich alle Aktionen gegen und gegen das Kernkraftwerk Saporischschja und jede andere Atomanlage in der Ukraine einzustellen, damit die zuständigen ukrainischen Behörden die volle Kontrolle über alle Kernanlagen innerhalb der international anerkannten Grenzen der Ukraine wiedererlangen können“.
Laut diesem Pressebericht haben Russland und China gegen die Resolution gestimmt. Enthalten haben sich Ägypten, Südafrika, Senegal, Burundi, Vietnam, Indien und Pakistan, 26 Staaten stimmten für die Resolution: Argentinien, Australien, Österreich, Brasilien, Kanada, Kolumbien, Tschechien, Finnland, Frankreich, Deutschland, Guatemala, Irland, Japan, die Republik Korea, Libyen, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Polen, Slowenien, Spanien, die Schweiz, die Vereinigten Arabischen Emirate, das Vereinigte Königreich und die USA.
IAEA board calls for Russia to hand over control of Zaporizhzhia, World Nuclear News, 16.9.2022, world-nuclear-news.org/Articles/IAEA-board-calls-for-Russia-to-hand-over-control-o.
19.9.2022
Das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) berichtet auf seiner Website über die Lage im AKW Saporischschja:
„Angesichts der angespannten Situation am ukrainischen Kernkraftwerk Saporischschja verfolgt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Lage vor Ort besonders intensiv. Im August und September war das Kraftwerk erneut und mehrfach Ziel von Angriffen. Allerdings gibt es keinerlei Hinweise darauf, dass radioaktive Stoffe ausgetreten sein könnten. […]
Das BfS sieht keine akute Gefahr einer Freisetzung von radioaktiven Stoffen in Saporischschja, teilt aber die Sorge der IAEA (International Atomic Energy Agency) um einen dauerhaft sicheren Betrieb des Kraftwerks.„
Bundesamt für Strahlenschutz, Aktuelles, BfS verfolgt Lage am KKW Saporischschja, Salzgitter, 19.9.2022, www.bfs.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/BfS/DE/2022/0225-ukraine.html.
26.9.2022
Die Internationale Atomenergiebehörde IAEA veröffentlicht neueste Prognosen über die Zukunft der friedlichen Nutzung der Kernkraft. Erstmals seit dem Reaktorunfall im japanischen AKW Fukushima Daiichi, (11.3.2011.) ist der Anteil der Kernenergie an der Stromerzeugung weltweit wieder gestiegen. Bis zum Jahre 2050 könnte sich von 10 auf 14 Prozent erhöhen: Im Bericht heißt es:
“ ‚Wir befinden uns in einem entscheidenden Moment des weltweiten Übergangs zu einer sichereren, stabileren und erschwinglicheren Energiezukunft‘, sagte IAEO-Generaldirektor Rafael Mariano Grossi. ‚Angetrieben von den Auswirkungen des Klimawandels und der Energiekrise überdenken die Regierungen ihre Portfolios zugunsten der Kernenergie. Damit das High-Case-Szenario erreicht werden kann, müssen jedoch eine Reihe von Herausforderungen angegangen werden, darunter die regulatorische und industrielle Harmonisierung und Fortschritte bei der Beseitigung hochradioaktiver Abfälle.‘ „
International Atomic Energy Agency (IAEA), IAEA Projections for Nuclear Power Growth Increase for Second Year Amid Climate, Energy Security Concerns, Press Release 26.9.2022, www.iaea.org/newscenter/pressreleases/iaea-projections-for-nuclear-power-growth-increase-for-second-year-amid-climate-energy-security-concerns.
26.9.2022
Die Prognosen der IAEA wurden publiziert als: „42. Ausgabe von RDS-1“. Der Bericht enthält Schätzungen der Energie-, Strom- und Kernenergietrends bis zum Jahr 2050, die globale und regionale Trends berücksichtigen.
Die beiden Abbildungen unten zeigen, dass die USA weltweit der größte Produzent an Atomstrom sind. Sie erzeugen etwa doppelt so viel wie China oder Frankreich und knapp das Vierfache der Russischen Föderation. Die Ukraine liegt im Ranking (siehe Abbildung unten links) noch vor Deutschland und Japan. Die rechte Abbildung zeigt den Anteil an Kernenergie an der gesamten Stromerzeugung nach Ländern. An der Spitze liegt Frankreich mit 69 Prozent, direkt gefolgt von der Ukraine mit 55 Prozent. In den USA und Russland beträgt die Anteil etwas über 19 Prozent und in Deutschland bei 11,9 Prozent.
Fazit: Die Mitgliedstaaten der EU wie auch die Ukraine sind weltweit führend, was den Anteil des Atomstroms an ihrer eigenen Energieproduktion betrifft.
International Atomic Energy Agency (IAEA), Energy, Electricity and Nuclear Power Estimates for the Period up to 2050, Wien 2022, vgl. die Abbildung links auf S. 12 und 13, www.iaea.org/publications/15268/energy-electricity-and-nuclear-power-estimates-for-the-period-up-to-2050.
Interessant ist ein genauerer Blick auf die Finanzen der IAEA. Offenbar ist der Mitgliedsbeitrag nicht an die Höhe der heimischen Atomstrom-Produktion gekoppelt. Denn die Ukraine zahlt nur 0,06 Prozent des Jahresbudgets der IAEA, Deutschland dagegen 5,9 Prozent, obwohl sie etwa die gleiche Menge an Atomstrom produzieren (siehe Abbildung oben links). Die Abbildung unten zeigt den überproportionalen Budgetanteil der G7-Staaten und damit ihren starken Einfluss auf die Politik der IAEA: Allein die USA und die europäischen Staaten (EU, UK und EFTA) stellen ca. 50 Prozent des Budgets. Die Abbildung unten ist eine eigene Zusammenstellung und basiert auf den Daten der IAEA (siehe rechts).
International Atomic Energy Agency (IAEA), Scale of assessment of Member States‘ contributions towards the Regular Budget for 2022, GC(65)/RES/7, Date: September 2021, www.iaea.org/sites/default/files/gc/res-7_-_scale_of_assessment.pdf.
30.9.2022
Am selben Tag, an dem die vier ukrainischen Regionen Donezk, Luhansk, Cherson, Saporischschja und die Russische Föderation in Moskau den Beitrittsvertrag unterzeichneten, legten die USA und Albanien dem 15 köpfigen UN-Sicherheitsrat eine Resolution vor, der die russische Annexion ukrainischer Gebiete verurteilte. Sie scheiterte am Veto Russlands. Vier weitere Staaten, China, Brasilien, Indien und Gabun enthielten sich der Stimme. Dafür votierten die drei ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats USA, das Vereinigte Königreich und Frankreich, sowie die nichtständigen Mitglieder Irland, Kenia, Mexiko, Norwegen, Albanien, Ghana und die Vereinigten Arabische Emirate.
Am selben Tag meldete der russische Energiekonzern Gazprom, dass an den beiden Gas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 in der Nordsee Explosionen gegeben habe. Die Ursache für den vermeintlichen Sabotageakt ist bis heute unbekannt. Der ukrainische Energiekonzern Energoatom gab bekannt, dass der Leiter der des AKW Saporischschja, Ihor Murashov, verhaftet wurde (s.o., 1.10.2022).
United Nations, Russia vetoes Security Council resolution condemning attempted annexation of Ukraine regions, UN News, New York, 30.9.2022, news.un.org/en/story/2022/09/1129102.
Gazprom says 800 million cubic metres of gas escaped from pipelines, Tass reports, reuters, 30.9.2022, www.reuters.com/business/energy/gazprom-says-800-million-cubic-metres-gas-escaped-pipelines-tass-2022-09-30/.
DATUM
INFORMATIONEN (eigene Texte mit „Zitaten„, Umschrift eingedeutscht bzw. Englisch, Übersetzung: S.R.)
QUELLEN (Autor, Titel, URL u.a.)
23.3.2022
In den westlichen Medien erscheint ein Beitrag zum Problem der Proliferation von Atomwaffen. Das US-amerikanischen Stimson Center in Washington berichtet, dass Kiew den Ausbau des ukrainischen Endlagers in Tschernobyl plant. Dort sollen in Zukunft sämtliche abgebrannte Brennstoffe aus den ukrainischen AKWs gelagert werden:
„In Tschernobyl befindet sich das weltweit größte Lager für abgebrannte Trockenbrennstoffe, in dem 21.000 abgebrannte Brennelemente aus den Reaktoren 1, 2 und 3 gelagert werden.5 [Link: www.ebrd.com, 18.11.2020, s.o.] Es ist auch der Standort der neu gebauten Centralized Spent Fuel Storage Facility (CSFSF), die abgebrannte Brennelemente aus neun Reaktoren in den Werken Rivne, Khmennitsky und Südukraine lagern soll. Im Januar 2020 erwarteten die Betreiber, dass die CSFSF ihre ersten Lieferungen im April erhalten würde. […]
In der Vergangenheit hat die Ukraine den größten Teil ihrer nuklearen Dienstleistungen und Brennstoffe aus Russland bezogen, hat sich aber in den letzten Jahren bemüht, ihre Energieunabhängigkeit zu erhöhen. Westinghouse testete und verfeinerte seine Brennelemente für WWER-Reaktoren erstmals 2005 in der Südukraine. Im Rahmen des Vertrags von 2008 zwischen Westinghouse und dem ukrainischen Unternehmen Energoatom konnte die Ukraine in den Jahren 2011-2015 Brennstoff für die Wiederaufladung von drei der südukrainischen Reaktoren kaufen,7 [Link: www.diis.dk, 11.11.2014] und im Jahr 2014 unterzeichnete die Ukraine Brennstoffverträge mit Westinghouse, die 2018 verlängert wurden. Bis Anfang 2022 wurde fast die Hälfte des Brennstoffs in den ukrainischen Kernkraftwerken von Westinghouse geliefert.8 [Link: nucnet.org, 18.12.2019]“
The Stimson Center, Ukraine. Nuclear Annexation: A New Proliferation Concern?, Washington, 23.3.2022, www.stimson.org/2022/nuclear-annexation.
21.4.2022
Die britische Website World Nuclear News (WNN) gibt weitere Informationen über das neue nuklearen Endlager CSFSF in der Sperrzone des AKWs Tschernobyl:
„Das CSFSF ist ein Trockenlager für gebrauchte Kernbrennelemente aus sieben Reaktoren WWER-1000 und zwei WWER-440 in den Kernkraftwerken Riwne, Chmennizki und Südukraine. Es ist für eine Gesamtspeicherkapazität von 16.530 gebrauchten Brennelementen ausgelegt, darunter 12.010 WWER-1000-Baugruppen und 4520 WWER-440-Baugruppen. Mit dem in den USA ansässigen Unternehmen Holtec International wurden 2005 Verträge über den Bau unterzeichnet, obwohl der Bau erst 2017 begann.“
World Nuclear News, Ukraine’s centralised used fuel storage facility ‚ready‘, London, 21.4.2022, www.world-nuclear-news.org/Articles/Ukraine-s-centralised-spent-fuel-storage-facility.
2.6.2022
Das ukrainische Energieunternehmen Energoatom berichtet über eine Vertragsunterzeichnung mit dem US-amerikanischen Energiekonzern Westinghouse. Bei der Zeremonie anwesend waren außerdem der ukrainische Energieminister Herman Halushchenko sowie der schwedische Botschafter in der Ukraine. Mit dem Vertrag soll die Zusammenarbeit in vertieft werden Es geht um die Einführung einer neuen AR1000-Technolgie.
„Am 2. Juni 2022 unterzeichneten […] der Präsident von [dem nationalen Staatsunternehmen] Energoatom, Petro Kotin, der Präsident und CEO von Westinghouse Electric Company, Patrick Fregman, und der Vizepräsident und Geschäftsführer von Westinghouse, Aziz Dag, drei Vereinbarungen:
Anlässlich des Baubeginns der Blöcke 5 und 6 des AKW Chmelnyzkyj, die mit der AR1000-Technologie gebaut werden, haben die Leiter beider Unternehmen ein Gedenkschild aufgestellt und feierlich eröffnet.
Jedes derartige Ereignis im Energiesektor bringt auch den Sieg der Ukraine näher!“
Енергоатом та Westinghouse розширюють співпрацю [Energoatom und Westinghouse erweitern Zusammenarbeit], Kiew, 2.6.2022, https://www.energoatom.com.ua/news-archive-04-06-1.html;
Vgl. das Youtube-Video zur Vertragsunterzeichnung: Енергоатом та Westinghouse розширюють співпрацю співпрацю [Energoatom und Westinghouse erweitern Zusammenarbeit], Kiew, 2.6.2022, https://www.youtube.com/watch?v=GZgi3eN9TvQ&t=20s
4.6.2022
Das ukrainische Energieunternehmen Energoatom kommentiert den Vertragsabschluss mit Westinghouse als große Chance. Ihr Leiter, Petro Kotin, legt die Pläne der ukrainischen Regierung offen, das Land zu einem Weltmarktführer in der Kernenergie und zu einem Zentrum der Kernforschung zu machen.
„Die Vereinbarungen, die Energoatom mit seinem langjährigen Partner, dem amerikanischen Unternehmen Westinghouse, getroffen hat, markieren eine neue Etappe in der Entwicklung der ukrainischen Energiewirtschaft, so Herr Kotin [Leiter von Energoatom]. Schließlich wird die Ukraine dank gemeinsamer Projekte zu einem der weltweit führenden Länder im Bereich der Kernenergie aufsteigen und über eine leistungsstarke und moderne Flotte von Kernkraftwerken verfügen, die sowohl für unser Land als auch für ganz Europa sauberen Strom erzeugen werden. […]
Das hochmoderne Ingenieur- und Technikzentrum Westinghouse, das diese Projekte unterstützt, wird zu einer Lokomotive für die Entwicklung der heimischen Nuklearwissenschaft und -technologie und zu einem leistungsfähigen Zentrum für die Ausbildung von Nuklearingenieuren werden, davon ist der Leiter von Energoatom überzeugt.“
Завдяки спільним проєктам з Westinghouse Україна стане одним зі світових лідерів ядерної енергетики [Dank gemeinsamer Projekte mit Westinghouse wird die Ukraine zu einem der weltweit führenden Unternehmen im Bereich der Kernenergie], Kiew, 4.6.2022, https://www.energoatom.com.ua/news-archive-04-06-2.html:
4.-5.7.2022
In Lugano (Schweiz) fand eine internationale Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine statt. Der ukrainische Energieminister Herman Halushchenko sprach über die Perspektiven des ukrainischen Energiesektors. Die Kernenergie, die 60 Prozent des nationalen Strombedarfs deckt, soll ausgebaut werden. Für den geplanten Bau von 9 Reaktoren sei ein Investitionsbedarf von 12 Mrd. US-Dollar notwendig.
„Herman Halushchenko zufolge ist unser Land bestrebt, die Kernenergie weiterzuentwickeln: ‚Es ist äußerst wichtig, dass es auch während des Krieges, in dieser schwierigen Zeit, Unternehmen gibt, die bereit sind, in der Ukraine zu investieren. Wir haben Vereinbarungen mit Westinghouse, die den Bau von 9 neuen Kernkraftwerksblöcken auf der Grundlage der AR1000-Technologie in naher Zukunft vorsehen‘. Die ersten dieser 9 sollten zwei sein – der 5. und 6. Block des AKW Chmelnyzkyj. Die voraussichtlichen Baukosten belaufen sich auf etwa 12 Milliarden Dollar. […]
Sie [die Konferenzteilnehmer] erörterten insbesondere die Notwendigkeit, die Sanktionen gegen Russland im Energiesektor zu verschärfen, den Export ukrainischer Elektrizität in die EU als Teil des Prozesses der Ablösung russischer Energieträger in Europa zu erhöhen, Infrastrukturprojekte und die Zusammenarbeit zur weiteren nachhaltigen Entwicklung des Energiesektors der Ukraine.
Besonderes Augenmerk wurde auf die Entwicklungsperspektiven der ukrainischen Nuklear- und Ökoenergie sowie auf die Schaffung von Energiespeichersystemen gelegt, die auch ein Potenzial für Investitionen darstellen.“
Атомна енергетика – важлива складова відбудови української держави [Kernenergie ist ein wichtiger Bestandteil der Wiederherstellung des ukrainischen Staates], Kiew, 7.7.2022, https://www.energoatom.com.ua/o-0707221.html:
13.7.2022
Energoatom nahm an einem runden Tisch zum Wiederaufbau der ukrainischen Wirtschaft teil. Veranstalter war das amerikanische Center for Strategic & International Studies (CSIS). Vertreten waren zudem der Energiekonzern Westinghouse, die Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), die Internationale Energiebehörde (IEA), Holtec und die ukrainische Firma URC-CRS.
„Das Hauptthema der Diskussion war die russische Aggression in der Ukraine. Peter Kotin Details erzählte über die Aktionen der Besatzer in den Kernkraftwerken unseres Staates, insbesondere über die Besetzung von Tschernobyl und Saporischschja AKW und ein Versuch, das südukrainische Atomkraftwerk zu beschlagnahmen.
[…] ‚Die internationale Unterstützung ist für das ganze Land und für unser Unternehmen äußerst wichtig. Wir wünschen uns mehr Klarheit und mehr Impulse von der IAEA bei der Befreiung des ZNPP von den russischen Besatzern‘, betonte Petro Kotin.“
Захист українських АЕС – захист усієї Європи [Schutz ukrainischer Kernkraftwerke – Schutz ganz Europas], Kiew, 14.7.2022, https://www.energoatom.com.ua/o-1407222.html:
22.11.2022
Der Leiter des ukrainischen Energieunternehmens Energoatom, Petro Kotin, trifft sich mit US-Botschafterin Bridget Brink. Sie erörtern Gesetzesvorhaben zur Stärkung des nationalen Unternehmens Energoatom und dessen Zusammenarbeit mit den USA:
„Petro Kotin dankte der US-Regierung für die kontinuierliche und umfassende Unterstützung der Ukraine und von Energoatom sowie für die Hilfe auf politischer Ebene bei der Verhängung von Sanktionen gegen das Aggressorland.“
Сьогодні, 22 листопада 2022 року, в центральному офісі ДП «НАЕК «Енергоатом» відбулась зустріч президента Компанії Петра Котіна з Послом США в Україні Бріджит Брінк [Am 22.11.2022 fand in der Zentrale von Energoatom ein Treffen zwischen dem Präsidenten des Unternehmens Petro Kotin und der US-Botschafterin in der Ukraine Bridget Brink statt], Kiew https://www.energoatom.com.ua/o-2211221.html:
21.12.2022
Das ukrainische Energieunternehmen Energoatom festigt die Zusammenarbeit mit der kanadischen Firma CAMECO zur Lieferung von Uran und Förderung der heimischen Uranproduktion im Gebiet von Dnipropetrowsk, nördlich des Dnepr (Joint Venture u.a. mit dem französischen Konzern Areva).
„Sie erörterten die Möglichkeit der Lieferung von Uranhexafluorid, das die Herstellung von Kernbrennstoff für ukrainische AKWs gewährleisten wird. Während des Treffens wurde auch die Bedeutung einer langfristigen Zusammenarbeit – bis 2035 – zwischen Energoatom und CAMECO erörtert.
Diese Interaktion wird die Sicherheit der Kernbrennstoffversorgung von Energoatom gewährleisten. Zudem ist die Zusammenarbeit der Unternehmen für die Effizienzsteigerung der Uranproduktion im heimischen VostGOK von Bedeutung.“
21 грудня 2022 року відбулася онлайн-зустріч президента ДП «НАЕК «Енергоатом» Петра Котіна та президента і головного виконавчого директора компанії CAMECO Тіма Гітцеля [Am 21. Dezember 2022 fand ein Online-Treffen zwischen dem Präsidenten von Energoatom Petro Kotin und dem Präsidenten und CEO von CAMECO Tim Gitzel statt], Kiew, 21.12.2022, https://www.energoatom.com.ua/o-2112221.html:
DATUM
INFORMATIONEN (eigene Texte mit „Zitaten„, Umschrift eingedeutscht bzw. Englisch, Übersetzung: S.R.)
QUELLEN (Autor, Titel, URL u.a.)
16.7.1990
In der Souveränitätserklärung der ehemaligen Ukrainischen Sowjetrepublik vom 16.7.1990, die anderthalb Jahre später (1.12.1991) vollzogen wurde, heißt es:
IX. Äußere und innere Sicherheit:
„Die Ukrainische SSR erklärt feierlich ihre Absicht, in Zukunft ein dauerhaft neutraler Staat zu werden, der sich nicht an Militärblöcken beteiligt und sich an drei nichtnukleare Grundsätze hält: keine Kernwaffen zu besitzen, herzustellen oder zu erwerben.“
X. Internationale Beziehungen
„Die Beziehungen der Ukrainischen SSR zu anderen Sowjetrepubliken basieren auf Verträgen, die auf den Grundsätzen der Gleichheit, des gegenseitigen Respekts und der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten geschlossen wurden.
Die Erklärung ist die Grundlage für die neue Verfassung, die Gesetze der Ukraine und definiert die Position der Republik beim Abschluss internationaler Abkommen. Die Prinzipien der Souveränitätserklärung der Ukraine werden verwendet, um einen Unionsvertrag abzuschließen.
Angenommen vom Obersten Sowjet der Ukrainischen SSR“
MEGET, Информационно-аналитический портал про недвижимость, Декларация о государственном суверенитете Украины от 16 июля 1990 года N55-XII [MEGET, Informations- und Analyseportal über Immobilien, Erklärung der staatlichen Souveränität der Ukraine vom 16. Juli 1990 N55-XII], Kiew 2022, meget.kiev.ua/deklaratsiya-gosudarstveniy-suverenitet-ukraina/.
16.11.1994
Das Ukrainische Parlament (Werchowna Rada) verabschiedet das Gesetz Über den Beitritt der Ukraine zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen vom 1. 7.1968 (Atomwaffensperrvertrag). Damit verzichtete die Ukraine auf den Besitz sämtlicher Atomwaffen. Am Tag ihrer Unabhängigkeit am 1.12.1991 war sie zur drittgrößten Atommacht der Welt aufgestiegen und verfügte über eine Overkill-Kapazität zur mehrfachen Vernichtung des gesamten Erdballs. Auf ihrem Boden lagerten 176 strategische und ca. 2500 taktische Atomraketen der UdSSR. Mit dem offiziellen Verzicht auf diese Waffen setzte die Ukraine Ankündigungen aus ihrer Souveränitätserklärung vom 16.7.1990 (s.o.) um. Der neue Gesetzestext hebt hervor:
„2. Die Ukraine ist Eigentümerin von Nuklearwaffen, die von der ehemaligen UdSSR geerbt wurden. Nach der Demontage und Vernichtung dieser Waffen unter der Kontrolle der Ukraine und gemäß Verfahren, die die Möglichkeit der Wiederverwendung der Kernmaterialien, die Bestandteile dieser Waffen sind, für ihren ursprünglichen Zweck ausschließen, beabsichtigt die Ukraine, die oben genannten Materialien ausschließlich für friedliche Zwecke zu nutzen.„
Die Ukraine benennt allerdings als Punkt 4 „außergewöhnliche Umstände“, die ihre Interessen gefährden könnten: Angriffe von Atommächten auf ihre nationale Souveränität und territoriale Unversehrtheit sowie die Anwendung von wirtschaftlichem Druck. Zwar droht der Text für einen solchen Fall keine Konsequenzen an, etwa die Aufkündigung des Vertrags. Allerdings hat diese Klausel seit dem 23.2.2014 an Bedeutung gewonnen. Während Russland den pro-westlichen Regimechange als Bruch der Sicherheitsgarantien interpretiert, sehen die westlichen Staaten und die Ukraine die Vertragsverletzung aufseiten Russlands durch dessen Annexion der Krim.
Верховна Ради України, Про приєднання України до Договору про нерозповсюдження ядерної зброї від 1 липня 1968 року [Über den Beitritt der Ukraine zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen vom 1. Juli 1968], Kiew, 16.11.1994, zakon.rada.gov.ua/laws/show/248/94-%D0%B2%D1%80#Text.
5.12.1994
Am Tag ihrer Unabhängigkeit am 1.12.1991 wurde die Ukraine die drittgrößte Atommacht der Welt. Im Einklang mit der Souveränitätserklärung vom 16.7.1990 (s.o.) und dem Gesetz über den Beitritt zum Atomwaffensperrvertrag (16.11.1994) unterzeichnete Kiew das Budapester Memorandum. Für den darin erklärten Verzicht auf den Besitz von Atomwaffen erhielt die Ukraine Sicherheitsgarantien bzgl. ihrer staatlichen Souveränität durch Russland, das Vereinigte Königreich und den USA:
„Ukraine, the Russian Federation, the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland, and the United States of America,
Welcoming the Accession of Ukraine to the Treaty on Non-Poliferation of Nuclear Weapons as a non-nuclear weapon state,
Talking into account the commitment of Ukraine to eliminate all nuclear weapons from its territory within a specified period of time,
Nothing the changes in word-wide security situation, including the end of the Cold War, which have brought about conditions for deep recductions in nuclear forces,
[Die Ukraine, die Russische Föderation, das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland und die Vereinigten Staaten von Amerika,
begrüßen den Beitritt der Ukraine zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen als Nicht-Kernwaffenstaat,
unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Ukraine, alle Kernwaffen innerhalb eines bestimmten Zeitraums aus ihrem Hoheitsgebiet zu entfernen,
in Anbetracht der Veränderungen in der weltweiten Sicherheitslage, einschließlich des Endes des Kalten Krieges, die die Voraussetzungen für eine tiefgreifende Reduzierung der Atomwaffen geschaffen haben, […].“
Budapester Memorandum von 1994, Ukraine, Russian Federation, United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and United States of America, Memorandum on security assurances in connection with Ukraine’s a ccession to the Treaty. on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons. Budapest, 5 December 1994, treaties.un.org/doc/Publication/UNTS/Volume%203007/Part/volume-3007-I-52241.pdf
19.2.2022
In einer Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz kündigte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an, dass sich die Ukraine nicht mehr an das Budapester Memorandum (1994) halten werde, sollten NATO und EU nicht mehr für die Sicherheit der Ukraine garantieren können. Damit fordert er den Beitritt zu beiden Organisationen. Die Aufkündigung des Memorandums kommt einem Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag gleich.
„Seit 2014 hat die Ukraine dreimal versucht, Konsultationen mit den Garantiestaaten des Budapester Memorandums einzuberufen. Dreimal ohne Erfolg. Heute wird die Ukraine es zum vierten Mal tun. Ich als Präsident werde dies zum ersten Mal tun. Aber sowohl die Ukraine als auch ich tun dies zum letzten Mal. Ich leite Konsultationen im Rahmen des Budapester Memorandums ein. Der Außenminister wurde beauftragt, sie einzuberufen. Wenn sie sich nicht wiederholen oder ihre Ergebnisse keine Sicherheit für unser Land garantieren, wird die Ukraine jedes Recht haben zu glauben, dass das Budapester Memorandum nicht funktioniert und alle Paketbeschlüsse von 1994 in Frage stehen. […]
Was können wir jetzt noch tun? Die Ukraine und ihre Verteidigungsfähigkeiten weiterhin wirksam unterstützen. Bereitstellung einer klaren europäischen Perspektive für die Ukraine, der den Kandidatenländern zur Verfügung stehenden Unterstützungsinstrumente und eines klaren und umfassenden Zeitrahmens für den Beitritt zum Bündnis.“
Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf der 58. Münchener Sicherheitskonferenz, 19.02.2022, München Ukraine-Analyse Nr. 262, Bundeszentrale für politische Bildung, Dokumentation, Bonn, www.bpb.de/themen/europa/ukraine/346833/dokumentation-rede-des-ukrainischen-praesidenten-wolodymyr-selenskyj-auf-der-58-muenchener-sicherheitskonferenz-19-02-2022-muenchen.
22.2.2022
Nach der Rede des ukrainischen Präsidenten auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 19.2.2022 (s.o.) analysiert ein BBC-Artikel zwei Tage vor Beginn des Ukraine-Kriegs die Wahrscheinlichkeit und die Konsequenzen einer „möglichen Rückkehr des nuklearen Status der Ukraine“.
Der Artikel zitiert nicht nur aus der Rede des ukrainischen Präsidenten (dasselbe Zitat s.o.), sondern auch russische Stellungnahmen dazu, u.a. vom russischen Präsidenten Wladimir Putin:
“ ‚Es gab bereits Erklärungen, dass die Ukraine ihre eigenen Atomwaffen entwickeln wird, und das ist keine leere Prahlerei. Die Ukraine verfügt wirklich über alle sowjetischen Nukleartechnologien und Mittel, um solche Waffen zu transportieren, insbesondere auch operativ-taktische Raketen ‚Tochka-U‘, ebenfalls sowjetischer Konstruktion, deren Reichweite 100 Kilometer überschreitet‘, sagte Putin. […]
‚Mit dem Aufkommen von Massenvernichtungswaffen in der Ukraine wird sich die Situation in der Welt, in Europa, insbesondere für uns, für Russland, dramatisch verändern. Wir können nicht umhin, auf diese reale Gefahr zu reagieren, zumal ich wiederhole, dass westliche Gönner zur Entstehung solcher Waffen in der Ukraine beitragen können. um eine weitere Bedrohung für unser Land zu schaffen‘, fügte Putin hinzu.“
Георгий Эрман, Может ли Украина вернуть себе ядерное оружие? И во что это ей обойдется? [Georgi Erman, Kann die Ukraine Atomwaffen zurückbekommen? Und was wird es sie kosten?], BBC News, 22.2.2022, www.bbc.com/russian/features-60483270.
24.2.2022
Bereits am ersten Tag des Ukraine-Kriegs informierte Kiew die IAEA darüber, dass bewaffnete Kräfte die Kontrolle über alle Einrichtungen des AKW Tschernobyl innerhalb der Sperrzone übernommen haben. Es hätte keine Opfer oder Zerstörungen gegeben. In einem Statement der IAEA zur Situation in der Ukraine heißt es:
„Der Generaldirektor [der IAEA] betonte, dass die Generalkonferenz der IAEO – die jährliche Versammlung aller Mitgliedstaaten der Organisation – 2009 einen Beschluss gefasst hat, in dem es heißt: ‚Jeder bewaffnete Angriff auf und jede Bedrohung von Nuklearanlagen, die friedlichen Zwecken dienen, stellt einen Verstoß gegen die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, des Völkerrechts und der Satzung der Organisation dar.‘ „
International Atomic Energy Agency (IAEA), IAEA Director General Statement on Situation in Ukraine, Wien, 24.2.2022, www.iaea.org/newscenter/pressreleases/iaea-director-general-statement-on-the-situation-in-ukraine
IAEA General Conference, Decision GC(53)/DEC/13, 18.9.2009, www.iaea.org/sites/default/files/gc/gc53dec-13_en.pdf
1.3.2022
Vier Tage nach Beginn des Ukraine-Kriegs am 24.2.2022 informierte Russland die Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien darüber, dass es die militärische Kontrolle über das Gebiet des AKW Saporischschja übernommen habe. Das AKW selbst bleibt aber weiterhin unter der Aufsicht der Ukraine (bis zur Annexion der Region am 3.10.2022):
„Am 1. März teilte die Ukraine der IAEO mit, dass alle ihre Kernkraftwerke unter der Kontrolle des nationalen Betreibers blieben. In einem Update heute Morgen sagte die staatliche Nuklearaufsichtsbehörde der Ukraine (SNRIU), dass sie die Kommunikation mit den Atomanlagen des Landes aufrechterhält und dass die Kernkraftwerke weiterhin normal funktionieren.„
International Atomic Energy Agency (IAEA), Update 6 – IAEA Director General Statement on Situation in Ukraine, Wien, 2.3.2022, www.iaea.org/newscenter/pressreleases/update-6-iaea-director-general-statement-on-situation-in-ukraine.
4.3.2022
Der Präsident von Energoatom, Petro Kotin, sagte in ukrainischen Fernsehsendern, dass nur noch einer von sechs Reaktorblöcken in Betrieb sei, jedoch enthielten alle Reaktoren gefährlich Kernbrennstoffe, die durch Granaten beschädigt werden könnten. Er berichtete von einem Widerstand gegen die russische Besetzung des AKWs Saporischschja. Durch gezielten Beschuss wurden das Wissenschafts- und Ausbildungszentrum sowie das Verwaltungsgebäude getroffen, ein Gebäude des Trainingszentrums sowie ein Gerüstbau wurden zerstört. Um 4:30 h gaben die Ukrainer ihren Widerstand auf, die Verbindung mit Energoatom sei abgebrochen. Kotin wörtlich:
„Welche Bedrohung geht von dem aus, was wir haben? Sechs Reaktoren. In jedem von ihnen befindet sich Kraftstoff, eine volle Ladung. In drei Reaktorbecken befinden sich auch abgebrannte Brennelemente. In der Anlage gibt es auch eine getrennte Nukleareinheit, ein Trockenlager für abgebrannte Brennelemente, in dem sich derzeit 150 Behälter mit abgebrannten Brennelementen befinden.
Ein Einschlag eines beliebigen Geschosses würde dort eine nukleare Katastrophe auslösen. Dies ist die größte Gefahr.“
На ЗАЭС работает один реактор, попадание снаряда приведет к ядерной катастрофе, Экономическая правда [Im ZNPP ist ein Reaktor in Betrieb, ein Granateneinschlag wird zu einer nuklearen Katastrophe führen, Ökonomische Wahrheit], Kiew, 4.3.2022, www.epravda.com.ua/rus/news/2022/03/4/683226/.
6.3.2022
Die beiden Nachrichtenagenturen Interfax und TASS zitieren eine russische Regierungsquelle, der zufolge Kiew schon seit 1994, d.h. nach dem Beitritt der Ukraine zum Atomwaffensperrvertrag, an der Entwicklung von Atomwaffen forsche. Seit dem pro-westlichen Umsturz am 23.2.2014, den die USA unterstützten, hätten NATO-Staaten die Ukraine bei der Beschaffung der Technologie zur Anreicherung von Uran geholfen. Moskau wirft Kiew vor, dass die Ukraine die Sperrzone um das havarierte AKW Tschernobyl für Tests neuer Atomwaffen nutze, im Hintergrund des verstrahlten Geländes. Die militärische Besetzung des AKWs Saporischschja (ZNPP), der größten Atomanlage in Europa, diene der Sicherstellung von Beweismaterial für das ukrainische Atomwaffenprogramm und den Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag, so die Meldungen russischer Agenturen. Zitate einer nicht namentlich genannten Person der russischen Regierung:
“ ‚Unmittelbar nach dem Beitritt zum Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen als nicht-nuklearer Staat im Jahr 1994 begann die Ukraine mit Arbeiten zur Forschung und Entwicklung, um eine technologische Grundlage für die mögliche Schaffung eigener Atomwaffen zu schaffen. Diese Arbeiten haben nach den bekannten Ereignissen in der Ukraine 2014 auf stillschweigenden Befehl von Poroschenko, dem damaligen Präsidenten des Landes, eine klar zum Ausdruck gebrachte praktische Ausrichtung und wachsende Aktivität erhalten‘, sagte die Quelle. […]
‚Unabhängig davon ist es erwähnenswert, dass die AKW-Zone Tschernobyl als Standort für die Entwicklung von Atomwaffen genutzt wird. Dort wurde, nach den verfügbaren Informationen zu urteilen, sowohl an der Herstellung einer ’schmutzigen‘ Bombe als auch an der Freisetzung von Plutonium gearbeitet. Der erhöhte Strahlungshintergrund, der für die Tschernobyl-Zone natürlich ist, verdeckte die Durchführung solcher Arbeiten ‚, sagte die Quelle.“
Украина могла создать ядерное оружие в ближайшей перспективе – информированный источник в РФ [Die Ukraine könnte in naher Zukunft Atomwaffen entwickeln – eine informierte Quelle der Russischen Föderation], Interfax, Moskau, 6.3.2022, www.interfax.ru/russia/826642.
Vgl. auch:
История вопроса о безъядерном статусе Украины [Hintergrund zum atomwaffenfreien Status der Ukraine], Moskau, 6.3.2022, tass.ru/info/13985001.
25.3.2022
In der wissenschaftlichen Zeitschrift Science erschien ein Artikel zur Lage in Tschernobyl nach der russischen Okkupation. Darin sagte Anatolii Nosovskyi, Direktor des Instituts für Sicherheitsprobleme von Kernkraftwerken (ISPNPP) in Kiew gegenüber einem Wissenschaftler aus Maryland, USA, dass sehr wahrscheinlich Plünderer ein Labor zur Strahlungsüberwachung überfallen und radioaktive Isotope entwendet hätten. Sie könnten mit konventionellem Sprengstoff gemischt und so zur Herstellung einer ’schmutzigen Bombe‘ genutzt werden, die große Gebiete radioaktiv verseuchen könnte:
„Das ISPNPP hat ein separates Labor in Tschernobyl mit noch gefährlicheren Materialien: ‚leistungsstarke Quellen von Gamma- und Neutronenstrahlung‘, die zum Testen von Geräten verwendet werden, sagt Nosovskyi, sowie intensiv radioaktive Proben von Material, das aus der Kernschmelze der Einheit Vier übrig geblieben ist. Nosovskyi habe den Kontakt zum Labor verloren, sagt er, also ‚ist uns das Schicksal dieser Quellen unbekannt‘.“
Damit bestätigt die Ukraine, dass sie mit der Kernenergie eine Dual-Use-Forschung betreibt. Der Artikel berichtet darüber hinaus, dass Kiew über weitere Tausend Standorte mit radioaktivem Material verfügt. Nach offiziellen Darstellungen würden diese strengstens bewacht. Doch gäbe es auch kritische Stimmen:
„Witali Fedtschenko, Experte für nukleare Sicherheit am Stockholmer Friedensforschungsinstitut, weist jedoch darauf hin, dass die Ukraine, wie auch andere Teile der ehemaligen Sowjetunion, nicht die gesamte nukleare Hinterlassenschaft der Sowjetunion im Auge behalten hat. ‚Es gibt eine Menge radioaktiver Quellen, die niemand auf dem Radar hat‘, sagt er. ‚Auch nicht auf dem Radar der Ukraine.‘ „
Richard, Stone, Dirty bomb ingredients go missing from Chornobyl monitoring lab
Insecure radioactive materials are the latest worry as Russia continues occupation of infamous nuclear reservation, in: Science, Vol 376, Issue 6588, doi: 10.1126/science.abq2304, 25.3.2022, www.science.org/content/article/dirty-bomb-ingredients-go-missing-chornobyl-monitoring-lab.
Website des Instituts für Sicherheitsprobleme von Kernkraftwerken (ISPNPP): Інститут проблем безпеки атомних електростанцій (ispnpp.kiev.ua/en).
Anmerkung: Seit Beginn am 24.2.2022 bis Ende September 2022 des Ukraine-Kriegs hat das Institut keine Nachrichten mehr veröffentlicht.
28.4.2022
In ihrem Bericht über die nukleare Sicherheit der Ukraine stützt die IAEA offiziellen Darstellungen Kiews. Danach seien die Vorwürfe Russlands unbegründet, wonach die Ukraine dort an neuen Atomwaffen forsche und gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoße:
„Auf der Grundlage der Auswertung aller der IAEA bisher vorliegenden überwachungsrelevanten Informationen, hat die IAEA keine Anzeichen für die Abzweigung von deklariertem Kernmaterial oder irgendwelche Anzeichen, die Anlass zur Besorgnis über die Proliferation geben würden.“
International Atomic Energy Agency (IAEA), Safety and Security of Nuclear Facilities in Ukraine, 24.2. – 28.4.2022, p. 24, www.iaea.org/sites/default/files/22/04/ukraine-report.pdf.
18.8.2022
Der UN-Vertreter der Russischen Föderation, Vassily Nebenzia, wendet sich in einem Brief an den UN-Sicherheitsrat. Darin schildert er die Lage im vom Russland besetzten AKW Saporischschja. Er behauptet, dass seit dem 18.7.2022 bewaffnete ukrainische Kräfte versuchen, das AKW mit Mehrfachraketenwerfern, Kleinwaffenartillerie und Drohnen zurückzuerobern. Innerhalb des zurückliegenden Monats hätte es 12 Angriffe mit ca. 50 Artillerieexplosionen und fünf Kamikaze-Drohnen gegeben:
„Der Beschuss führte zu Schäden an den Hilfssystemen des Kraftwerks und an lebenswichtigen Einrichtungen der Stadt Energodar.
Das Verteidigungsministerium ist der Ansicht, dass die Ukraine und ihre Auftraggeber in den Vereinigten Staaten versuchen, eine ihrer Ansicht nach geringfügige Panne im Kernkraftwerk zu verursachen, die den normalen und sicheren Betrieb stört, und Russland die Schuld dafür geben.“
United Nations, General Assembly Security Council, A/76/924-S/2022/633, Letter dated 18 August 2022 from the Permanent Representative of the Russian Federation to the United Nations addressed to the Secretary-General and the President of the Security Council, digitallibrary.un.org/record/3985324?ln=en
23.8.2022
Auf der Sitzung des UN-Sicherheitsrats kam es zu einer Aussprache über die Rolle der IAEA bei der Überwachung der Sicherheitslage im AKW Saporischschja. Das Sitzungsprotokoll stellt klar, dass Alle Maßnahmen der UN bzw. der IAEA das Einverständnis der Ukraine und der Russischen Föderation voraussetzen.
Der UN-Vertreter der Russischen Föderation, Vassily Nebenzia, dementierte westliche und ukrainische Medienberichte, wonach Russland auf dem Gelände des AKW Waffen stationiert habe:
„Entgegen den falschen Behauptungen des Kiewer Regimes und seiner Hintermänner lagert Russland keine schweren Waffen auf dem Gelände des Kernkraftwerks Saporischschja und nutzt die Anlage nicht für militärische Zwecke. Das russische Verteidigungsministerium ist bereit, der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) hochauflösende Bilder zur Verfügung zu stellen, die zeigen, dass dort keine Waffen, geschweige denn schwere Waffen, dort platziert wurden.“
Der UN-Vertreter der Ukraine, Mr. Kyslytsya erhielt das Schlusswort:
„Ich möchte noch einmal betonen, dass die derzeitige Situation deutlich macht dass das Einzige, was letztlich die nukleare Bedrohung durch die illegale russische Präsenz im AKW beseitigen kann, ist der Abzug der russischen Waffen und Truppen und die Rückgabe des AKWs an die rechtmäßige Kontrolle der Ukraine. Die Ukraine schätzt die Bemühungen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) und der Vereinten Nationen, die Sicherheit aller ukrainischen Atomanlagen vor dem Hintergrund der russischen Invasion zu gewährleisten.“
United Nations, Security Council
Seventy-seventh year, 9114th meeting, S/PV.9114, 23,8.2022, New York, digitallibrary.un.org/record/3985385?ln=en.
24.8.2022
Der Generaldirektor des russischen Staatsunternehmens Rosatom, A.E. Likhachev, traf sich mit dem Generaldirektor der IAEA, R. Grossi, in Istanbul. Wie Rosatom auf seiner Website berichtet, ging es der russischen Seite um die Sicherheit von zwei AKWs: des AKW Saporischschja in der Ukraine, das seit Anfang März unter russischer Kontrolle seht und des AKW Kursk in Westrussland, angrenzend an den Norosten der Ukraine:
„Auf russischer Seite wurde der Schwerpunkt auf die vorrangigen Aufgaben gelegt, die Sicherheit der Kernanlagen in Russland und der Ukraine angesichts des unaufhörlichen Beschusses des AKW Saporischschja durch ukrainische bewaffnete Gruppen und der Sabotageaktionen gegen das AKW Kursk zu gewährleisten.„
Rosatom stellt sich auf seiner Website wie folgt vor (https://rosatom.ru/about/):
„Das Staatsunternehmen Rosatom ist ein nationaler Marktführer in der Stromerzeugung (ca. 20% der Gesamtleistung) und steht weltweit an erster Stelle in Bezug auf das größte Portfolio an Aufträgen für den Bau von Kernkraftwerken: 34 Kraftwerke in 11 Ländern befinden sich in unterschiedlichen Phasen der Umsetzung. Rosatom ist das einzige Unternehmen der Welt, das über Kompetenzen in der gesamten technologischen Kette des Kernbrennstoffkreislaufs verfügt, von der Gewinnung von Natur-Uran bis zur Endphase des Lebenszyklus kerntechnischer Anlagen.“
The UN representative of the Russian Federation, Vassily Nebenzia, addresses the UN Securi-ty Council in a letter. He claims that since 18 July 2022, armed Ukrainian forces have been trying to retake the NPP Zaporizhzhya with multiple rocket launchers, small arms artillery and drones. Within the past month, there had been 12 attacks with about 50 artillery explosions and five kamikaze drones:
“The shelling resulted in damage to the power plant auxiliary support systems and to vital services of the city of Energodar.
The Ministry of Defence believes that Ukraine and its United States handlers are trying to play the card of causing what they regard as a minor breakdown at the nuclear power plant, disrupting its normal and safe operation, and blaming Russia.“
Росатом, Глава Росатома А.Е. Лихачев встретился в Стамбуле с генеральным директором МАГАТЭ Р. Гросси [Rosatom, Rosatom-Chef A.E. Likhachev traf sich in Istanbul mit IAEO-Generaldirektor R. Grossi], Moskau, 24.8.2022,
rosatom.ru/journalist/news/glava-rosatoma-a-e-likhachev-vstretilsya-v-stambule-s-generalnym-direktorom-magate-r-grossi/?sphrase_id=3293336.
31.8.2022
Der ukrainische Energieminister, Herman Halushchenko, gab einen Tag vor dem Besuch des IAEA-Generalsdirektors Rafael Grossi am 1.9.2022 bekannt, dass Kiew seinen Empfehlungen nur folgen werde, wenn es wieder die vollständige Kontrolle über das AKW habe. Er forderte den Abzug des russischen Militärs und die Einrichtung einer entmilitarisiertne Zone um das AKW:
„Herman Halushchenko betonte, dass ZNPP ein ukrainisches Kernkraftwerk ist und nur die Ukraine in der Lage ist, die Erfüllung aller Komponenten der Betriebssicherheit zu garantieren. Daher werden die Schlussfolgerungen und Empfehlungen, die auf den Ergebnissen der Arbeit der Mission basieren, umgesetzt werden, wenn die Ukraine wieder die volle Kontrolle über das AKW erlangt.“
Міністерство енергетики Украіни, Рекомендації місії МАГАТЕ будуть імплементовані при повернені ЗАЕС під контроль України – Герман Галущенко [Das Energieministerium der Ukraine, die Empfehlungen der IAEO-Mission werden nach der Rückkehr des ZNPP unter die Kontrolle der Ukraine umgesetzt – Herman Galushchenko], Kiew, 31.8.2022, mev.gov.ua/novyna/rekomendatsiyi-misiyi-mahate-budut-implementovani-pry-poverneni-zaes-pid-kontrol-ukrayiny.
7.9.2022
Wie das russische Nachrichtenportal INTERFAX.RU berichtet, hat der russische Außenminister Sergej Lawrow die IAEA um eine Klarstellung zu ihrem Bericht vom 5.9.2022 über die aktuelle Situation im AKW Saporischschja gebeten er wird in folgenden Textpassagen zitiert:
“ ‚Hier besteht weiterer Klärungsbedarf, denn der Bericht enthält eine Reihe von Fragen. Ich werde sie jetzt nicht aufzählen, aber wir haben den Generaldirektor der IAEO um diese Klarstellungen gebeten‘, sagte er gegenüber Interfax am Rande des WEF in Wladiwostok und kommentierte den Bericht der IAEO über die Situation im Kernkraftwerk ZNPP.
Zuvor hatte der russische Botschafter im UN-Sicherheitsrat, Vasili Nebenzya, bedauert, dass der IAEO-Bericht die Quelle des Beschusses des KKW nicht benennt.
‚Wir bedauern, dass Ihr Bericht über die Umsetzung der IAEO-Sicherungsmaßnahmen in der Ukraine für den Zeitraum von April bis September dieses Jahres, der erst vor wenigen Stunden erschienen ist, die Quelle des Beschusses nicht direkt benennt‘, sagte Nebenzia am Dienstag vor dem UN-Sicherheitsrat. – Wir haben Verständnis für Ihre Position als Leiter der internationalen Aufsichtsbehörde, aber in der gegenwärtigen Situation ist es wichtig, die Dinge beim Namen zu nennen.“
Москва запросила у Гросси пояснения по докладу МАГАТЭ о Запорожской АЭС [Moskau bittet Grossi um Klarstellungen zum IAEO-Bericht über das AKW Saporischschja], Interfax, 7.9.2022, www.interfax.ru/world/861012
17.9.2022
Das russische Medienportal RIA Novosti (РИА Новости) berichtet über einen erneuten Beschuss des AKW Saporischschja durch ukrainisches Militär. Das russische Verteidigungsministerium wird mit den Worten zitiert:
“ ‚Das Kiewer Regime hat die Provokationen wieder aufgenommen, um die Gefahr einer von Menschen verursachten Katastrophe im Kernkraftwerk Saporischschja zu schaffen. Im Laufe des Tages wurden zwei Artilleriebeschüsse auf die Siedlung Datscha Volna und ein Umspannwerk in unmittelbarer Nähe des Kernkraftwerks registriert“, so das Ministerium.“
РИА Новости, В Минобороны рассказали о провокациях ВСУ у Запорожской АЭС [RIA Novosti, Das Verteidigungsministerium berichtete über Provokationen der Streitkräfte der Ukraine im AKW Saporischschja], Moskau, 17.9.2022, ria.ru/20220917/zaes-1817524418.html?in=t.
19.9.2022
Der Generaldirektor der IAEA gab die Informationen von Energoatom über den Beschuss des AKW Südukraine (SUNPP, ukr. PAES) an die Weltöffentlichkeit weiter (s.u.) Nach kurzer Unterbrechung sei die Stromversorgung wiederhergestellt worden.
Dagegen sei die Lage im AKW Saporischschja (ZNPP) nach wie vor angespannt. Die Stromversorgung aus dem nahe gelegenen Wärmekraftwerk sei aus noch ungeklärten Gründen abgeschaltet worden. Im Bericht der IAEA heißt es:
„Das ZNPP – dessen sechs Reaktoren sich derzeit in einem kalten Abschaltzustand befinden – erhält immer noch den Strom, den es für wesentliche Sicherheitsfunktionen benötigt, aus einer 750 KV großen externen Stromleitung, die am Freitag wiederhergestellt wurde, aber es hat jetzt keinen Zugang zu Notstrom aus dem Netz, sagten die IAEO-Experten.“
Abschließend wird Generaldirektor Grossi mit den Worten zitiert: „Jede militärische Aktion, die die nukleare Sicherheit bedroht, ist inakzeptabel und muss sofort gestoppt werden.“
International Atomic Energy Agency (IAEA), Update 104 – IAEA Director General Statement on Situation in Ukraine, Wien, 19.9.2022, www.iaea.org/newscenter/pressreleases/update-104-iaea-director-general-statement-on-situation-in-ukraine.
19.9.2022
Das nationale Atomenergie-Unternehmen „Energoatom“ berichtet über Raketenangriffe auf das AKW Südukraine (SUNPP, das etwa 250 km, nordwestlich des AKW Saporischschja (ZNPP) liegt:
„Heute, am 19. September 2022, um 00:20 Uhr, startete die russische Armee einen Raketenangriff auf das Industriegebiet des südukrainischen Kernkraftwerks [SUPNN oder ukr. PAES].
Eine gewaltige Explosion ereignete sich nur 300 m von den Reaktoren der PAES [en. SUPNN] entfernt. Die Druckwelle beschädigte die Gebäude des AKW, über 100 Fenster gingen zu Bruch. Eine der hydraulischen Einheiten des Kraftwerks Oleksandrivskaya, das Teil des südukrainischen Energiekomplexes ist, wurde abgeschaltet. Auch drei Hochspannungsleitungen wurden unterbrochen. […] Nuklearterrorakte der Raschisten [d.h. russischen Faschisten, siehe Anmerkung, S.R.] bedrohen die ganze Welt. Sie müssen sofort gestoppt werden, um eine neue Katastrophe zu verhindern!“
Енергоатом, Рашистські терористи обстріляли Південноукраїнську АЕС – ракета впала за 300 метрів від ядерних реакторів [Energoatom, Raschistische Terroristen feuerten auf das südukrainische AKW – die Rakete fiel 300 Meter von den Atomreaktoren entfernt], Kiew, 19.9.2022, www.energoatom.com.ua/o-1909221.html.
Die englische Übersetzung spricht von „Russian terrorists“, vgl. Erklärung links und die Quelle: www.energoatom.com.ua/app-eng/eng-1909221.html.
27.9.2022
In seinem Bericht zur Lage im AKW Saporischschja bestätigt der Generaldirektor der IAEA einen erneuten Beschuss der Atomanlage nach einigen Tagen der Ruhe. Die dort stationierten IAEA-Mitarbeiter informierten ihn über Explosionen auf dem AKW-Gelände am 26. und 27.9.2022, infolge dessen die Fenster einer Turbinenhalle zu Bruch gingen. Nur durch die Einrichtung einer militärischen Schutzzone könne die gefährliche Lage entspannt werden, so Rafael Grossi. Er hofft, dieses Ziel bald durch diplomatische Verhandlungen mit der Ukraine und Russland zu erreichen. Im Bericht heißt es:
„IAEO-Experten, die im ZNPP anwesend waren, berichteten dem Hauptsitz der Agentur, dass der Beschuss gestern gegen 17 Uhr Ortszeit in der Nähe der elektrischen Schaltanlage des AKW, einige hundert Meter vom Schulungszentrum der Anlage entfernt, stattfand, aber es gab keine Berichte über Schäden. Andere Explosionen waren weiter entfernt zu hören.
Heute um 8 Uhr morgens ereigneten sich zwei Explosionen in der Nähe eines Kanals, der Wasser aus einem Reservoir zum Kühlsystem der Anlage transportiert, ein wesentliches Element für die nukleare Sicherheit. Es gab keine Schäden an Anlagenstrukturen und -geräten, aber Fenster in der Turbinenhalle des Reaktorblocks 2 wurden zerbrochen, sagten die IAEO-Experten. Nach Angaben des leitenden ZNPP-Betriebspersonals ist die Ursache der Explosionen derzeit unklar und wird untersucht, fügten die Experten der Agentur hinzu.“
International Atomic Energy Agency (IAEA), Update 106 – IAEA Director General Statement on Situation in Ukraine, Wien, 27.9.2022, www.iaea.org/newscenter/pressreleases/update-106-iaea-director-general-statement-on-situation-in-ukraine.
5.10.2022
Der russische Präsident Wladimir Putin veröffentlichte ein Dekret, wonach das AKW Saporischschja in russisches Eigentum übergehen soll. Dafür werde als Aktiengesellschaft Rosenergoatom gegründet, eine Unterorganisation des russischen Staatskonzerns Rosatom. Alle bisherigen Mitarbeiter des AKWs werden übernommen.
ЗАЭС перейдет в собственность России [ZNPP soll an Russland übergeben werden], Moskau, ria.ru/20221005/zaes-1821776300.html; Указ Президента Российской Федерации от 05.10.2022 № 711, publication.pravo.gov.ru/Document/View/0001202210050022.
8.10.2022
Das russische Verteidigungsministerium beschuldigt das ukrainische Militär auf das AKW Saporischschja zu schießen. Kiew wolle es wieder unter seine Kontrolle bringen.
„Im Laufe des Tages wurden die Stadt Enerhodar und das an das AKW angrenzende Gebiet zweimal von den Streitkräften der Ukraine von Grad-Mehrfachraketensystemen beschossen. […]. Reparaturarbeiten werden abgeschlossen, um die Stromversorgung des AKWs und der Stadt Enerhodar wiederherzustellen.“
Министерство обороны Российской Федерации (Минобороны России), Новости, 8.10.2022 [Verteidigungsministerium der Russischen Föderation, Nachrichten, 8.10.2022], https://function.mil.ru/news_page/country/more.htm?id=12440875@egNews
12.10.2022
Der Generaldirektor der IAEA, Raffel Grossi, betreibt seit Tagen eine Pendeldiplomatie zwischen Moskau und Kiew mit dem Ziel, eine Sicherheitszone um das AKW Saporischschja einzurichten. Derweil kommt es zu wiederholtem Granatenbeschuss und Unterbrechungen der externen Stromversorgung.
„Das am ZNPP anwesende Expertenteam der IAEO berichtete, dass die Verbindung zu seiner letzten noch in Betrieb befindlichen 750-Kilovolt-Stromleitung gegen 9 Uhr Ortszeit unterbrochen wurde. Die Notdieselgeneratoren der Anlage nahmen automatisch ihren Betrieb auf, um die sechs Reaktoren mit Strom zu versorgen, den sie für die Kühlung und andere wichtige Sicherheitsfunktionen benötigen. […] Die Dieselgeneratoren der Anlage haben Kraftstoff für etwa 10 Tage. [… Grossi sagte:] ‚Die Situation in der Anlage ist eindeutig unhaltbar und es sind sofortige Maßnahmen erforderlich, um die nukleare Sicherheit zu stärken und einen nuklearen Unfall zu verhindern.‘“
International Atomic Energy Agency (IAEA), Update 116 – IAEA Director General Statement on Situation in Ukraine, Wien, 12.10.2022, https://www.iaea.org/newscenter/pressreleases/update-116-iaea-director-general-statement-on-situation-in-ukraine
24.10.2022
Das ukrainische Unternehmen Energoatom wirft Russland erneut Nuklearterrorismus vor. Es reagierte damit auf den Vorwurf Moskaus, Kiew baue aus abgebrannten Brennstäben des AKW Saporischschja, an einer „schmutzigen Bombe“, die es Russland zuschreibt.
„2. Seit zwei Tagen behaupten Vertreter der russischen Behörden und die gesamte gegnerische Propaganda, die Ukraine bereite angeblich eine „schmutzige Atombombe“ vor, für die nach russischer Auffassung abgebrannte Brennelemente und radioaktive Abfälle, die am Standort des AKW Saporischschja gelagert sind, verwendet werden können.
Um die Welt weiter einzuschüchtern, veröffentlichten die Russen heute eine gefälschte Karte der potenziellen Strahlenverseuchung mit dem Epizentrum im AKW ZNPP.“
Заяви росії про створення «брудної ядерної бомби» можуть свідчити про підготовку нею акта ядерного тероризму [Russlands Äußerungen über den Bau einer „schmutzigen Atombombe“ könnten darauf hindeuten, dass es einen nuklearen Terroranschlag vorbereitet], Kiew 24.10.2022, https://www.energoatom.com.ua/o-2410222.html
25.10.2022
Wie die russische Nachrichtenagentur TASS meldet, telefonierte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu mit seinen Amtskollegen in London, Paris, Washington und Ankara und warnte sie, dass die Ukraine eine „schmutzige Bombe“ einsetzen könnte. Schon Wochen zuvor hatte Moskau mit einem atomaren Gegenschlag gedroht.
„Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu führte am Sonntag Telefongespräche mit dem britischen Verteidigungsminister Ben Wallace, dem französischen Verteidigungsminister Sebastien Lekornu und dem türkischen Verteidigungsminister Hulusi Akar. Der russische Minister brachte seinen Kollegen die Besorgnis über mögliche Provokationen der Ukraine mit dem Einsatz einer „schmutzigen Bombe“ nahe. Darüber hinaus telefonierte Shoigu am Freitag und Sonntag mit Pentagon-Chef Lloyd Austin.
Später sagte Austin seinem ukrainischen Amtskollegen Alexei Reznikov während eines Telefongesprächs, dass Washington Russlands Warnungen in Bezug auf Kiew zurückweist. US-Außenminister Antony Blinken sagte am 23. Oktober, Washington halte die Warnungen der russischen Seite vor dem Einsatz einer ‚schmutzigen Bombe‘ durch Kiew nicht für gerechtfertigt.“
Чижов: „грязную бомбу“ можно создать и в кустарных условиях при наличии компонентов [Chizhov: Eine schmutzige Bombe kann auch zu Hause hergestellt werden, wenn die Komponenten vorhanden sind], Moskau, 25.10.2022, https://tass.ru/politika/16151197
27.10.2022
Die US-Regierung veröffentlicht Dokumente zur nationalen Verteidigungsstrategie. Darin diskutieren sie den (Erst-)Einsatz von Atomwaffen. Die USA bestätig ihre Doktrin eines nuklearen Erstschlags, ändert aber die Kriterien für ihren Einsatz. Die USA sind zur „Einzweckerklärung“ (sole purpose declaration) übergegangen, die größere Interpretationsspielräume eröffnet.
„Die Doktrin stützt sich auf die Bedrohungslage, die Einschätzung der Bedrohungslage, die Sichtweise der Verbündeten und Partner sowie auf unsere strategischen Ziele zur Risikominimierung. Wir haben ein breites Spektrum von Optionen für eine Nukleardoktrin gründlich geprüft – darunter sowohl die No-First-Use [Verzicht auf einen Erstschlag] – als auch die Sole-Purpose-Politik [Einzweckerklärung, s.u.] – und sind zu dem Schluss gekommen, dass diese Ansätze angesichts des Spektrums nichtnuklearer Fähigkeiten, die von Konkurrenten entwickelt und eingesetzt werden und die den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten und Partnern Schaden auf strategischer Ebene zufügen könnten, zu einem unannehmbaren Risikoniveau führen würden. Einige Verbündete und Partner sind besonders anfällig für Angriffe mit nichtnuklearen Mitteln, die verheerende Auswirkungen haben könnten. Wir halten an dem Ziel fest, zu einer Einzweckerklärung überzugehen, und wir werden mit unseren Verbündeten und Partnern zusammenarbeiten, um konkrete Schritte zu ermitteln, die es uns ermöglichen, diese zu verfolgen.“
U.S. Department of Defense, 2022 National Defense Strategy of The United States of America, including the 2022 Nuclear Posture Review and the 2022 Missile Defense Review, Washington, 27.10.2022, media.defense.gov/2022/Oct/27/ 2003103845/-1/-1/1/2022-NATIONAL-DEFENSE-STRATEGY -NPR-MDR.PDF, S. 9
14.11.2022
Der Leiter des ukrainischen Energieunternehmens Energoatom ermutigt in seiner Rede die ukrainischen Streitkräfte zur gewaltsamen Rückeroberung des AKW Saporischschja.
„Unsere Soldaten erobern Schritt für Schritt die ukrainischen Städte von den Eindringlingen und rücken immer weiter vor. Vor kurzem haben sie die Stadt Cherson und einen Teil der Region Cherson von der russischen Besatzung befreit! […]
Die Russen haben keine Chance mehr. Daher ist die Befreiung von Enerhodar und des AKW Saporischschja eine Frage der Zeit, der Geduld, der Ausdauer und des Heldentums der Atomarbeiter von Saporischschja und der Bewohner der vorübergehend besetzten Gebiete.
Wir glauben an die Streitkräfte der Ukraine, der Sieg wird unser sein!“
Звернення президента ДП «НАЕК «Енергоатом» Петра Котіна [Ansprache von Petro Kotin, Präsident von NNEGC Energoatom], Kiew, 14.11.2022, www.energoatom.com.ua/o-1411221.html
23.11.2022
Die ukrainische Atomaufsichtsbehörde (SNRIU) gab gekannt, dass alle ukrainischen AKWs automatische abgeschaltet worden sind. Auslöser war ein Abfall der Frequenz im ukrainischen Stromnetz infolge der schweren russischen Luftangriffe gegen die ukrainische Energieinfrastruktur. Die AKWs produzieren Strom nur noch für den Eigenbedarf.
„Nach Angaben des Betreibers NNEGC Energoatom wurde am 23. November 2022 in den KKW Riwne, Südukraine und Chmelnyzky der Notfallschutz ausgelöst, woraufhin alle Blöcke automatisch abgeschaltet wurden. Dies war auf einen Rückgang der Frequenz im Stromnetz zurückzuführen. Jetzt arbeiten die Kraftwerksblöcke im Planungsmodus, d. h. ohne Einspeisung in das Stromnetz.
Aufgrund des Frequenzabfalls wurde die Versorgung des Eigenbedarfs des KKW Saporischschja aus dem Stromnetz eingestellt. Das ZNPP befindet sich im Blackout-Modus. Der Eigenbedarf an Strom wird durch Notstromdieselgeneratoren gedeckt.
Der Strahlungshintergrund an den Standorten der ukrainischen KKWs liegt innerhalb normaler Grenzen.“
Ситуація на українських АЕС [Die Situation in den ukrainischen AKWs], Kiew, 23.11.2022, https://snriu.gov.ua/news/sytuatsiia-na-ukrainskykh-aes; und: http://nkrzu.gov.ua/1734-sytuatsiia-na-ukrainskykh-aes
6.12.2022
Das russische Nachrichtenprotal RIA Novosti publiziert eine Infographik zu den Einschlagstellen auf dem Gelände des AKW Saporischschja, die auf Granaten der ukrainischen Armee zurückgehen sollen. Unter Berufung auf Quellen des russischen Verteidigungsministeriums habe es seit Anfang August 2022 insgesamt 329 Einschläge auf dem AKW-Gelände und dem unmittelbar angrenzenden Gelände gegeben.
Quelle:
Обстрелы Запорожской АЭС, Инфографика [Beschuss des AKW Saporischschja, Infografik], Ria Novosti, 6.12.2022, https://ria.ru/20221206/obstrely_zaes-1836562974.html?in=t [Übersetzung der Karten-Beschriftung: S.R.]
7.12.2022
Der russische Staatspräsident Wladimir Putin erklärt auf einer von Russland einberufenen Sitzung des UN-Menschrechtsrats den Verzicht auf einen Einsatz von Atomwaffen. Russland habe keine nukleare Erstschlagsdoktrin und betrachte ihren Besitz lediglich als Schutz. Gleichzeitig wirft er den USA vor, außerhalb ihres Staatsterritoriums Nuklearwaffen zu stationieren. Er erinnerte an die Drohung der britischen Premierministerin Liz Truss, diese Waffen auch einzusetzen.
„‚Zu der Frage, dass Russland sie [die Atomwaffen] unter keinen Umständen als Erster einsetzen wird. Wenn es sie unter keinen Umständen als erster einsetzen wird, dann auch nicht als zweiter. Denn die Einsatzmöglichkeiten im Falle eines Atomschlags auf unser Territorium sind sehr begrenzt‘, fügte er hinzu.
Putin betonte, dass Russland Atomwaffen ‚eben als Schutz‘ betrachte. […]
Unsere Verteidigungsstrategie, bei der wir Massenvernichtungswaffen und Atomwaffen in Betracht ziehen, ist auf den so genannten Vergeltungsschlag ausgerichtet. Wenn wir angegriffen werden, schlagen wir zurück‘, sagte Putin.
‚Ich habe bereits gesagt: Wir haben keine eigenen Atomwaffen, auch keine taktischen Waffen in anderen Ländern, während die Amerikaner sie haben. Es gibt sie in der Türkei und in einer Reihe anderer europäischer Länder. Sie trainieren die Möglichkeit, die Flugzeugträger dieser Länder für den Einsatz amerikanischer Atomwaffen zu nutzen. So etwas haben wir bisher noch nicht gemacht‘, erklärte er.
Putin erinnerte auch an die Äußerungen der ehemaligen Premierministerin Großbritanniens, Liz Truss, über einen möglichen Einsatz von Atomwaffen.“
Путин заявил, что ядерная угроза нарастает, но РФ не применит ядерное оружие первой [Putin sagt, die nukleare Bedrohung wachse, aber Russland werde nicht zuerst Atomwaffen einsetzen], 9.12.2022, https://www.interfax.ru/russia/875831
11.12.2022
Das russische Medium Kommersant berichtet über die unterschiedlichen Vorschläge zur Einrichtung einer Sicherheitszone um das AKW Saporischschja. Russland sei u.U. bereit, sein Militär abzuziehen, will die Kontrolle über das AKW jedoch nicht an die IAEA abgeben. Die Ukraine besteht immer noch auf Maximalforderungen wie etwa die vollständige Rückgabe des AKW und den Ausschluss Russlands aus der IAEA. Der kleinste gemeinsame Nenner wäre eine Zusicherung, nicht auf das AKW zu schießen.
„Von einem vollständigen Waffenstillstand in der Region oder einer Entmilitarisierung der Anlage könne keine Rede sein, allerdings müssten sich die Parteien verpflichten, ‚nicht auf die Anlage oder von ihr aus zu schießen‘. Grossi hofft, bis Ende des Jahres das größte Kraftwerk Europas zu sichern. Russland sagt, es sei möglich. In der Ukraine fordern sie, dass Russland wegen ‚Nuklearterrorismus‘ aus der IAEA ausgeschlossen wird. […]
In der vergangenen Woche wurde auch bekannt, dass Russland gegenüber der IAEA seine Vorstellung von der Einrichtung einer Schutzzone um das AKW Saporischschja geäußert hat, der Inhalt dieser Vorschläge wurde jedoch nicht öffentlich bekannt gegeben. […]
Im November verabschiedete der Gouverneursrat der IAEO mehrheitlich eine Resolution zum AKW Saporischschja, in der er Russland aufforderte, ‚seine unbegründeten Ansprüche auf das Eigentum an der Anlage unverzüglich aufzugeben‘. Alexej Lichatschow, Generaldirektor von Rosatom, bezeichnete das Dokument als ‚inakzeptabel und unzureichend‘. Seiner Meinung nach hat Kiew die Resolution als Freibrief für die Bombardierung der Anlage aufgefasst.“
Елена Черненко, Конечная станция. В МАГАТЭ рассказали, какой может быть зона безопасности вокруг Запорожской АЭС [Elena Chernenko, Letzte Station. Die IAEA sagt, wie die Sicherheitszone um das AKW Saporischschja aussehen könnte], Komersant, 11.12.2022, https://www.kommersant.ru/doc/5719135